Sukeban

 

"Die Nächte sind überall gleich dunkel" - hatte man mir immer gesagt, doch seit dem wir vier nun hier waren, hatte ich das Gefühl, dass die Nächte so finster wurden, wie ich sie sonst nie erlebt hatte. Und trotzdem war es überraschend ruhig hier in dem alten Gemäuer der ehemaligen Asia Pacific International School. Das Gebäude war wegen Baufälligkeit gesperrt, doch wir hatten es riskiert und hier unser Nachtlager aufgeschlagen.

Nur das leise und ruhige Atmen Nozomis, die direkt neben mir lag, war zu hören und trotzdem fand ich in dieser Nacht keinen Schlaf. Seit mehr als 5 Jahren waren die vier nun unzertrennlich gewesen: Nozomi, Ayumu, Xarvar und ich. Damals war alles einfacher, leichter.

Man lies Unterrichtsstunden ausfallen und traf sich auf dem Dach oder hinter dem Gebäude, unterhielt sich und war frei. Mal kamen andere Schüler dazu, dann waren wir beinahe zu zehnt und manchmal saßen wir nur zu zweit da.

Schlich sich des Abends oder gar in der Nacht aus dem Haus der Eltern, um durch die Straßen Tokyos zu ziehen, bei den Leuten zu sein, die für einen wie Familie geworden waren. Egal was auf einen zukam, man hielt zueinander, auch wenn das bedeutete Nachts zu viert in einer heruntergekommenen Schule zu schlafen.



"Sukeban" hatte Nozomi damals gesagt, als wir uns zu zweit mit einigen Jungs angelegt hatten, von da an trugen wir diesen Namen in unseren Herzen und irgendwann auch in unseren Gedanken. Wir sprachen ihn aus, trugen ihn auf die Straßen Tokyos und lebten mit ihm, als wäre es unser zweiter Name - unser zweites Gesicht.



Wenn ich so darüber nachdenke, war ich wohl immer die, die am wenigsten in die Gruppe gepasst hat. Obwohl ich doch recht oft im Unterricht gefehlt habe, waren mein Noten immer gut. Ich wollte studieren, hatte Ziele und kam mit meiner Familie gut aus. Bei vielen war es nicht so...sie fühlten sich von ihren Familien verstoßen, ungeliebt, hassten die Schule und die Lehrer. Und so wurden wir ihre Familie.



Zu Beginn waren wir nur einige wenige Mädchen gewesen, aber unsere Zahl nahm zu und schneller als ich schauen konnte machten wir uns einen Namen, wurden bekannt. Zuerst freuten wir uns darüber, denn immer mehr Mädchen schlossen sich uns an. Wir verbrachten schöne und lustige Abende gemeinsam, Nächte und manchmal auch das komplette Wochenende in Waldhütten oder Bruchbuden ausserhalb Tokyos. Aber leider gibt es immer eine Kehrseite der Medaille und so kam es immer öfters zu Ausschreitungen mit anderen Gangs, die sich durch uns bedroht fühlten. Dadurch wurde auch die Stimmung in der Gruppe angespannter. Eines Nachts, es war ein kalter Winter gewesen und wir waren zu fünft auf dem Weg nach Hause, trafen wir auf eine größere Gruppe Jungs, allesamt stark angetrunken. Ich wollte sie erst umgehen, ich wusste genau, dass das böse Enden würde, keine der Mädels würde sich etwas gefallen lassen. Und so kam was kommen musste: Die Jungs konnten ihre Klappe nicht halten, die Hände nicht bei sich lassen und es vergingen kaum fünf Minuten, ehe Mamoko, eines der älteren Mädchen ihre Fäuste sprechen lies. Sie hatte schon immer einen kurzen Geduldsfaden gehabt, was sie durch ihre nicht wenig beeindruckenden Judofähigkeiten schnell zum Ausdruck brachte.

Plötzlich waren jedoch Sirenen zu hören, einer der Anwohner hatte die Polizei gerufen und jetzt ging alles ganz schnell: Die Fäuste wurden wieder eingepackt und man nahm die Hände in die Hand - Was den Jungs dank einiger blauer Flecke nicht ganz so leicht fiel.


Tage und Wochen später verliefen viele Abende und Begegnungen ähnlich, wobei es sich natürlich nicht immer um betrunkene handelte, oft auch einfach um Gangs, die sich damit brüsteten, andere Gruppierungen zu zerschlagen.

Und so schlugen wir unsere Kreise, wie ein Stein, der durch die Wasseroberfläche brach. Wir wurden bekannter, vorallem in den Kreisen der Schulabgänger und Deliquenten. Wir fingen an, uns zu vernetzen. Zuerst war es nur Tokyo, dann kam Yokohama dazu, Kofu, Nagoya - sogar in Kyoto gab es junge Leute die sich uns anschlossen.

Ein Informationsfluss entstand - erst ein kleines, leises Bächchen, flüsternd und ruhig bis hin und einem gesunden Fluss, der seiner Strömung folgte und sich ein Flussbett in die Erde grub.

Jedoch legten wir recht schnell den Titel als Mädchengang ab. Selbst mein Bruder fand gefallen an der Sache und schloss sich uns an, so wie seine Freunde, Brüder von den Mädels oder Partner.

Seit 5 Jahren gibt es uns nun schon. Nicht nur mehr in Japan, sondern auch in den anderen asiatischen Ländern, wie Korea, China oder Thailand. Einige sind gegangen, viele sind geblieben - viele zu uns gestoßen. Doch heute verbindet uns nicht nur der Wunsch nach Freiheit und dem Leben nach eigenen Regeln, sondern etwas viel größeres. Wir bestimmen unser Schicksal nun selbst und tragen die Macht dafür in unseren Händen.

 

 

sukeban






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